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Das Salz der Erde

Historischer Roman von Daniel Wolf
Seitenanzahl:1152 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2013
Verlag: Goldmann
ISBN:978-3-641-10596-9
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Kurztext / Annotation

Ein grandioses Mittelalter-Epos ... um Liebe, Freiheit und das weiße Gold!
Herzogtum Oberlothringen, 1187. Nach dem Tod seines Vaters übernimmt der junge Salzhändler Michel de Fleury das Geschäft der Familie. Doch seine Heimatstadt Varennes leidet unter einem korrupten Bischof und einem grausamen Ritter, der die Handelswege kontrolliert - es regieren Armut und Willkür. Als Michel beschließt, Varennes nach dem Vorbild Mailands in die Freiheit zu führen, steht ihm ein schwerer Kampf bevor. Seine Feinde lassen nichts unversucht, ihn zu vernichten. Nicht einmal vor Mord schrecken sie zurück. Und schließlich gerät sogar seine Liebe zur schönen Isabelle in Gefahr ...

Daniel Wolf ist das Pseudonym von Christoph Lode. Der 1977 geborene Schriftsteller arbeitete zunächst u.a. als Musiklehrer, in einer Chemiefabrik und in einer psychiatrischen Klinik, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Mit den historischen Romanen um die Händlerfamilie Fleury, »Das Salz der Erde«, »Das Licht der Welt«, »Das Gold des Meeres« und »Die Gabe des Himmels«, gelang ihm ebenso der Sprung auf die Bestsellerlisten wie mit den zwei Bänden der Friesensaga »Im Zeichen des Löwen« und »Im Bann des Adlers«. Der Autor lebt in Speyer. Weitere Titel von Daniel Wolf sind bei Goldmann in Vorbereitung.

Beschreibung für Leser

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Mai 1187

MAILAND

Mailand erwachte aus unruhigem Schlaf.

Im Westen der Po-Ebene war der Himmel noch dunkel, doch im Osten glühte er bereits violett und orange. Die Nacht zog sich langsam aus den Straßen der gewaltigen Stadt zurück wie eine geschlagene Streitmacht, während das erste Licht des Tages über die Dächer kroch und in Gassen und Klösterhöfe hinabtröpfelte. Schwarz erhoben sich die Zinnen der Wehrmauer vor dem flammenden Streif am Horizont, schwarz auch die Glockentürme des Doms. Zwei Tagelöhner torkelten über den menschenleeren Platz vor dem Gotteshaus, schwerfällig und betrunken. Einer hob seinen Kittel und urinierte gegen die Ziegelsteinfassade des Palazzo del Podestà; der andere stimmte ein schweinisches Lied an und weckte einen Hund auf, der wütend zu bellen begann.

Ein Hahn krähte im Hinterhof einer Herberge bei der Porta Romana, ein zweiter in der Gasse der Waffenschmiede, ein dritter in den Gärten bei der Ostmauer. Straßenräuber entrissen ihrem sterbenden Opfer die Geldkatze, wischten ihre Dolche ab und flohen vor der Morgendämmerung in ihren Schlupfwinkel. Bettler und Krüppel regten sich auf den Stufen der Kirchen und durchsuchten ihre Lumpen nach Brotresten. Kupplerinnen und Dirnen in den Arkaden zählten den Lohn der Nacht.

Hunderttausend Seelen seufzten, während allmählich die Wirklichkeit in ihre Träume drang.

Als die Sonne aufging, riefen die Klosterglocken zur Prim, dem ersten Gebet des Tages. Mönche verließen schläfrig ihre Zellen und schlurften durch die Kreuzgänge. Die Nachtwächter der verschiedenen Viertel beendeten ihre Runden, löschten ihre Laternen und stapften müde zu ihren ärmlichen Quartieren. Kerzen und Kienspäne flammten in den Fenstern auf; Dienstboten in den Palazzi der Reichen und Mächtigen bereiteten ihren Herren das Morgenbrot und legten frisch ausgebürstete Gewänder bereit. Ein Geldwechsler küsste ein letztes Mal seine blutjunge Magd und raunte ihr Versprechen zu, die er niemals einlösen würde. Leise stahl er sich davon und schlüpfte ins eheliche Schlafgemach, bevor sein Weib zu sich kam.

Michel erwachte, als der letzte Glockenschlag verklang. Er hatte wieder geträumt, irgendetwas von seinem Vater, der im fernen Oberlothringen mit dem Salzschiff auf der Mosel fuhr. An mehr konnte er sich nicht erinnern.

Er setzte sich auf, rieb sich das Gesicht. Seit einigen Wochen träumte er ständig von der Heimat, von Jean, von seiner Schwester Vivienne, die vor zwei Monaten geheiratet hatte, vom Geschäft der Familie. Stets waren es verwirrende Träume, die alltägliche Ereignisse mit Bildern aus der Vergangenheit mischten, und immer hinterließen sie in ihm ein Gefühl der Schwere. Woher kamen sie? Er konnte es sich nicht erklären. Natürlich vermisste er seine Familie, aber lange nicht so sehr wie vor drei Jahren, als er neu in Mailand gewesen war, und damals hatte er auch nicht von ihr geträumt.

Das muss das schlechte Gewissen sein. Ich sollte ihnen häufiger schreiben.

Er nahm sich vor, gleich heute Abend nach der Arbeit einen Brief an seine Familie aufzusetzen und ihn morgen früh einem berittenen Boten der Tuchhändlergilde mitzugeben. Mit etwas Glück würde er schon in zwei, drei Wochen in Varennes sein.

Er verscheuchte die Erinnerungen an den Traum und trat nackt ans Fenster seiner Kammer. Die Gasse vor dem Palazzo Agosti war noch nahezu menschenleer; lediglich zwei Stadtwachen mit geschulterten Spießen schlenderten über das Pflaster und verjagten einen Betteljungen, der unter den Arkaden herumlungerte. Spätestens in einer Stunde würde es in der schmalen Straße nur so wimmeln von fliegenden Händlern, Eilboten, Knechten und Mägden, die im Auftrag ihrer Herren Besorgungen machten.

Es versprach ein warmer, sonniger Maimorgen zu werden. Michel war nicht müde, obwohl er höchstens vier oder fünf Stunden geschlafen hatte. Wieder einmal hatte er bis weit nach Mitternacht