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Frankie

Roman. Spiegel-Bestseller von Jochen Gutsch, Maxim Leo
Seitenanzahl:192 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2023
Verlag: Penguin Verlag
ISBN:978-3-641-29591-2
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Kurztext / Annotation

»Das wär nix für mich, so'n Lebenssinn. Erstmal muss man ihn finden. Und dann muss man drauf aufpassen, damit man ihn nicht verliert.«
Richard Gold hat alles vorbereitet. Heute ist der Tag, an dem er sich das Leben nehmen wird. Der Strick liegt schon um seinen Hals, als sich ein dürrer Kater vor das Fenster setzt, interessiert glotzt - und Gold komplett aus dem Konzept bringt. Als dann der Kater auch noch bei Gold einzieht, weil der einen großen Fernseher hat, ein 'extremst' weiches Bett und pünktlich Essen serviert, beginnt die skurrile Freundschaft zwischen zwei Außenseitern, von denen zumindest einer ganz fest an ein Happy End im Leben glaubt.

Ein Mann, der sterben will. Ein Kater, der ein Zuhause sucht. Eine berührende und zugleich urkomische Geschichte über eine außergewöhnliche Freundschaft und den Weg zurück ins Leben.

Jochen Gutsch, geboren 1971 in Berlin, ist Journalist beim SPIEGEL. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet. Zusammen mit Maxim Leo verfasste er mehrere Bestseller, darunter Es ist nur eine Phase, Hase. Das Buch stand über ein Jahr lang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde für das Kino verfilmt.

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

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1
Der Faden

Mir wurde gesagt, eine Geschichte beginnt man vorne. Am Anfang. Aber ich bin ein Kater und weiß nichts von vorne und Anfang. Die Menschen haben einen Haufen Regeln, wie alles sein muss im Leben. Tu dies, tu das! Ganz ehrlich? Langweilig. Anstrengend. Nichts für mich. Deshalb fange ich jetzt einfach irgendwo an. Vielleicht zufällig vorne. Oder am Anfang.

Es war die gute Zeit, und damit meine ich, die Abende waren warm und hell, und in den Linden summten die Bienen. An so einem Abend wollte ich kurz rüber zum Professor. Wer der Professor is', erzähle ich später. Weil: Tut erst mal nichts zur Sache.

Ich ging also den Großen Weg entlang, der mitten durchs Dorf führt. Vorbei am See, wo das Gras hoch stand, und ich ein paar Grashüpfer fraß. Das Gute an Grashüpfern? Sie beschweren sich nie, wenn man sie frisst. Im Gegensatz zu Vögeln. Vögel machen jedes Mal 'n Riesendrama. »Iss mich nicht! Ich bin Mutter! Ich hab zehn Kinder im Nest!« Die übertreiben total. Aber jedes Mal steh ich da, ich dumme Nuss, Vogel in der Schnauze, und fühle mich erst mal kurz schlecht.

Ich ging vorbei an der Dorfkirche, vorbei am morschen Vogelhäuschen, vorbei an der übel riechenden Pisse vom fetten Heinz (Rottweiler), vorbei an zwei Misthaufen, wo nichts Gutes drauflag, und auch nichts Halbgutes, nur Kaffeesatz, Eierschalen, Kartoffelschalen, Apfelschalen. Hier mal 'n Tipp an euch Menschen: Ein Misthaufen, auf dem nur Schalen rumliegen, wirkt geizig.

Ich ging vorbei am großen Sandhügel, wo bald der Wald beginnt und hinter dem die Welt zu Ende ist. Ich tapste gut gelaunt vor mich hin, ganz lässig, so schlawenzel-schlawenzel im Abendlicht, schlüpfte durch einen alten Holzzaun, bis ich im Garten des verlassenen Hauses stand. Jeder nennt es das verlassene Haus, weil die Menschen aus der Stadt, die hier jeden Sommer wohnten, eines Tages nicht mehr kamen.

Überall sind Vorhänge vor den geschlossenen Fenstern, und im Winter heult der Wind am verlassenen Haus vorbei, und der fette Heinz, der ein dummes Arschloch ist, sagt, da wohnt 'n Rudel Werwölfe drin.

Aber jetzt kommt's! Ich war schon fast am verlassenen Haus vorbei, da sah ich dort einen Mann. Im verlassenen Haus drin! Ich war so perplex, dass ich sofort hinter einen Busch flitzte, weil mir extremst die Düse ging. Da saß ich nun und dachte: Scheiße, Frankie. Was machste jetzt?

Am liebsten wär ich sofort zurückgerannt und hätte allen, die ich kenne, die Sensation erzählt. Aber dann wär die Fragerei natürlich losgegangen: Wie sah der Mann denn aus, Frankie? Wie roch der Mann, Frankie? Was gibt's zu fressen bei dem Mann, Frankie? Bist du dir ganz sicher, dass es kein Werwolf ist, Frankie?

Wenn ein verlassenes Haus plötzlich nicht mehr verlassen is', dann kommen ne Menge Nachfragen, dann will jeder die Details wissen. Und hat man keine, steht man blöd da.

Also tat ich das, was jeder gute Kater in so ner Situation machen würde: Ich lugte hinterm Busch hervor.

Lauschte.

Lugte.

Lauschte.

Lugte.

So ging das ne ganze Weile. Ich kürz das jetzt mal ab, weil sonst nix passierte.

Lauschte.

Lugte.

Und so weiter.

Dann schlich ich näher ran, leise-leise, schaute aus einigen Katzenschwanzlängen Entfernung durch das große Fenster und sammelte Details.

Detail 1: Da war wirklich ein Mann.

Detail 2: Er stand auf nem Stuhl.

Detail 3: Von der Zimmerdecke hing ein Faden herunter.

Detail 4: Den Faden trug der Mann um den Hals.

Detail 5: Ergänzung von Detail 4: Der Faden war extremst dick.

Ganz ehrlich? Ich hatte noch nie so nen prächtigen Faden gesehen. Ich liebe Fäden, das müsst ihr wissen. Als ich noch bei der alten Frau Berkowitz lebte, spielten wir fast jeden Tag mit nem Faden. Nie hing ein Mensch dran, aber manchmal ne Maus, also keine echte, sondern aus Wolle,