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Männer mit Erfahrung

Roman von Castle Freeman
Auflage:1. Auflage
Seitenanzahl:176 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2016
Verlag: Nagel & Kimche
ISBN:978-3-312-00693-9
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Kurztext / Annotation

Lillian, die in einem kleinen Nest in Vermont lebt, fühlt sich von einem undurchsichtigen Typen namens Blackway verfolgt. Eines Morgens liegt ihre Katze tot vor der Tür. Ermordet von Blackway, davon ist sie überzeugt. Der Sheriff kann nichts für sie tun, daher sucht sie Hilfe bei einem Club kauziger alter Männer. Beeindruckt von ihrem Mut, stellen diese ihr den betagten Lester und den hünenhaften, etwas beschränkten Nate als Schutz zur Seite. Lillian traut den beiden nichts zu, aber sie lassen sich nicht abwimmeln und so verfolgen sie Blackway schließlich gemeinsam. Dieser Thriller besticht durch seinen schrägen Humor und seine ungleichen Helden. Ein Meisterstück - dicht, intensiv und leuchtend!

Castle Freeman wurde 1944 in San Antonio, Texas, geboren. In Chicago aufgewachsen, studierte er an der Columbia University. Heute lebt er in Vermont und arbeitet als Korrektor, Redakteur, Lektor und Autor für eine Vielzahl von Zeitschriften. Sein Roman Männer mit Erfahrung (im Original Go with me) wurde 2015 mit Anthony Hopkins, Julia Stiles und Ray Liotta verfilmt.

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

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FRÜHAUFSTEHER

Hochsommer: Die langen Tage beginnen mit hellem, sich rasch auflösendem Dunst und enden nie. Die Stunden strecken sich, dehnen sich. Sie dehnen sich und nehmen alles auf, was man in sie hineinsteckt; sie nehmen alles, was man hat: Geschäftigkeit, Untätigkeit, gute Ideen, schlechte Ideen, Gespräche, Liebe, Ärger, Lügen jeder Art - alles. Auch Arbeit? Nein. Niemand arbeitet mehr. Früher war das anders. Früher haben die Farmer gearbeitet. Für die Farmer waren die Hochsommertage die beste, geschäftigste Zeit des Jahres, aber die Farmer sind fort. Sie haben gearbeitet, sie haben gebaut, aber jetzt sind sie fort. Wer wird wohl der Nächste sein?

Sheriff Ripley Wingate war Frühaufsteher. Er bog von der Straße auf den Parkplatz hinter dem Gerichtsgebäude ab. Noch nicht mal sieben. Der Morgennebel hing über der Erde wie ein schwerer grauer Vorhang. Er wallte und waberte, trieb in wolligen Wirbeln und Girlanden dahin, teilte sich. In einer Ecke des Parkplatzes, beinahe verborgen von den Schwaden, ein anderer Wagen. Ein kleiner Wagen, leer.

Der Sheriff parkte den Pickup auf dem reservierten Platz gleich hinter dem Gericht und ging zu dem Wagen, einem Escort, dessen hinteres Seitenfenster teils eingeschlagen und mit Plastikfolie und Klebeband abgedeckt war. Er trat an das Beifahrerfenster, bückte sich und sah hinein. Doch nicht leer. Auf dem Fahrersitz saß eine junge Frau und schlief. Sie hatte die Knie angezogen, ihr Kopf lehnte am Fenster. Auf dem Beifahrersitz lag ein Küchenmesser mit zehn Zentimeter langer Klinge, und auf der Rückbank war ein pelziges Bündel, das der Sheriff nicht genau erkennen konnte. Er klopfte leicht ans Fenster.

Die schlafende Frau schlug die Augen auf. Sie sah sich um, und als ihr Blick auf den Sheriff vor dem Seitenfenster fiel, zuckte sie zusammen, fuhr zurück und ließ ihn nicht aus den Augen. Ihre rechte Hand tastete nach dem kleinen Messer auf dem Beifahrersitz.

«Kann ich helfen?», fragte Sheriff Wingate.

«Ich warte auf den Sheriff», sagte die junge Frau.

«Was?»

«Ich warte auf den Sheriff», sagte sie noch einmal lauter, damit er sie durch die Fenster des kleinen Wagens verstehen konnte.

«Ich bin der Sheriff.»

«Wirklich?»

«Warum kommen Sie nicht rein?», sagte der Sheriff und wies mit dem Kopf auf das Gerichtsgebäude.

Die junge Frau machte keine Anstalten auszusteigen, beugte sich aber über den Beifahrersitz und öffnete das Seitenfenster einen Spaltbreit.

«Sie haben keine Uniform», sagte sie.

«Stimmt», sagte der Sheriff. Er richtete sich auf und wandte sich zum Gehen.

«Woher weiß ich dann, dass Sie der Sheriff sind?»

«Was soll ich sagen?», antwortete der Sheriff. «Sie können hier sitzen bleiben, wenn Sie wollen. Vielleicht kommt ja ein anderer Sheriff vorbei.»

«Moment», sagte die junge Frau. Sie nahm die Füße vom Sitz, öffnete die Fahrertür und stieg aus. Sie war groß, und ihr braunes Haar war lang, sehr lang, und fiel in sanften Wellen über ihre Schulterblätter. Der Sheriff musterte sie. Sie wirkte nicht betrunken, sie benahm sich nicht betrunken, sie roch nicht betrunken. Sie schloss die Tür und sah ihn über das Wagendach hinweg an.

«Na gut», sagte sie.

Der Sheriff wartete und ließ ihr den Vortritt.

«Nach Ihnen», sagte die junge Frau.

Der Sheriff schüttelte den Kopf. «Ich hab kein Messer», sagte er. «Sie schon. Nach Ihnen.»

«Oh», sagte die junge Frau. Das Küchenmesser lag noch auf dem Beifahrersitz. Sie beschloss, es dort liegen zu lassen, und ging zum Hintereingang des Gerichtsgebäudes. Der Sheriff folgte ihr.

In seinem winzigen Büro im Untergeschoss des Gerichtsgebäudes wies Sheriff Wingate auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Die junge Frau setzte sich. Er ließ sie erst einmal ankommen und machte sich ein bisschen zu schaffen: Er schaltete die Kaffeemaschine ein, riss das gestrige Kalenderblatt ab und warf es in den P