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Sommergäste

Roman von Agnes Krup
Seitenanzahl:400 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2020
Verlag: Piper Verlag
ISBN:978-3-492-99637-2
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Kurztext / Annotation

Drei Liebende und der Mut, zu sich selbst zu finden Es ist der Sommer des Jahres 1925. Die Schriftstellerin Charlotte Overbeck und ihre Freundin Ellen reisen nach Rockcliff Isle, eine malerische Insel vor der kanadischen Atlantikküste. Charlotte will an ihrem neuen Roman arbeiten, Ellen ihr gemeinsames Cottage einrichten. Bei der Ankunft mit dem Postschiff treffen sie im Hafen auf Crawford Maker, einen Einheimischen in Fischerkleidung, der einen toten Vogel mit mächtigen Schwingen unter dem Arm trägt. Ellen besucht ihn in seiner Werkstatt, wo er den Vogel präpariert. Sie fühlt sich erinnert an ihre kurze Karriere als Künstlerin, die sie für Charlotte aufgegeben hat, um ihre Begleiterin zu werden. Crawford erkennt ihr Talent und lädt sie ein, mit ihm auf eine Expedition in den Kongo zu gehen...

Agnes Krup war nach ihrem Studium in Hamburg und Tübingen als Lektorin, Literaturagentin und Verlagsscout tätig. Geboren in Hamburg, lebt sie heute als Autorin in Norddeutschland und im Hudson Valley. Ihr Debüt »Mit der Flut« erschien 2017 und war auf Anhieb ein Erfolg. »Sommergäste« ist ihr zweiter Roman.

Beschreibung für Leser

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Rockcliff Isle, Mitte Juni 1925

Es war schon acht Uhr, als Crawford Maker den Hafen erreichte. Der Nebel war an diesem Morgen so dicht, dass es keinen Zweck gehabt hätte, früher aufs Wasser zu gehen, und auch jetzt war die Pier fast menschenleer. Die meisten Fischer hatten das Wetter ebenso im Blut wie Crawford, und alle ahnten, dass die Sicht heute kaum mehr besser werden würde. Ihre Boote lagen an den üblichen Plätzen, nur einige rostige Gaskanister standen auf der Pier für die nächste Ausfahrt bereit. Die Hummersaison ging dem Ende entgegen, und es würde den Treibstoff nicht lohnen, an diesem Tag auszufahren.

Crawford fuhr sich mit der Hand an die Innentasche seiner dicken Baumwolljacke - ja, der Kompass seines Großvaters und die alte Taschenuhr waren an ihrer Stelle. Er würde sie nicht brauchen. Auch er hatte nicht die Absicht, weit hinauszufahren, außerdem hätte er sich im Archipel ohnehin mit geschlossenen Augen zurechtgefunden. Aber er ging nie an Bord, ohne sich zu vergewissern, dass er beides bei sich hatte.

Das Fischerboot seiner Familie, größer als die meisten anderen und mit einer geschlossenen Kajüte, lag etwas abseits, an dem Steg der Fischfabrik. Der große Schuppen war frisch gestrichen, und von dem dunkelroten Hintergrund hob sich sogar im Nebel das leuchtende Weiß der Buchstaben ab: »Maker_&_Söhne, Fischverarbeitung und Export«. Er kletterte an der Strickleiter auf die »Miriam Elizabeth« hinunter, um sich auf ihrer Backbordseite über die Reling in sein kleines Ruderboot zu schwingen. Er würde nicht weit fahren; nur um die felsige Halbinsel herum, die sich nördlich des Hafens ins Meer schob. Auf der anderen Seite von Patterson's Cove, unterhalb des Schwalbennest-Leuchtturms, hatte er einige Hummerkisten, die er ausnehmen wollte. Doch selbst wenn sie leer waren, machte ihm das kaum etwas aus. Wenn er ehrlich war, fuhr er nur der Vögel wegen hinaus, wie fast jeden Tag. Jetzt, im Juni, hatte er fast immer Herzklopfen auf dem Meer, so gespannt war er. Es war Brutzeit, und die Insel war voller Vögel. In den hohen Kliffs und auf den Granitklippen, die sich jenseits von Patterson's Cove erhoben, brüteten alle erdenklichen Möwenarten, Seeschwalben, Sturmtaucher, Gryllteisten und Ohrenscharben. Er würde sie selbst im Nebel erkennen können, es genügte ihm schon, ihre Rufe und ihren Flügelschlag zu hören. Er dachte an das Pärchen von Wanderfalken, das er vor ein paar Tagen über den hohen Schwalbennest-Klippen gesehen hatte. Und die Kolonie von Krähen, die sich in der Nähe des Leuchtturms niedergelassen hatte. Unwillkürlich runzelte er die Stirn. Krähen waren die einzigen Vögel, die er nicht mochte. Schon gar nicht zur Nistzeit.

Er faltete die Persenning und schob sie in das kleine Hellegatt im Bug, löste den Knoten der Vertäuung und stieß das hölzerne Boot von der »Miriam Elizabeth« ab. Er zog die Ruder unter der Bank hervor und begann, mit kräftigen Zügen auf die Hafenmündung zuzurudern. Die Flut hatte gewendet, und das Wasser begann, in den Schlick der Bucht zurückzuströmen. Die Anstrengung machte ihm Freude, und er wusste, dass die Rückkehr einige Stunden später ein Kinderspiel sein würde.

Es war fast völlig windstill, als er den Bug des Ruderbootes nach Norden wandte. Angler's End, die felsige Halbinsel, die backbords vor ihm aufragte, war kaum zu erkennen, die dunklen Fichten, die sich auf ihr festklammerten, nur Schemen. Von der Westküste drang die Nebelpfeife über Rockcliff Isle hinweg, sogar ihr schriller Ton vom Nebel gedämpft.

Eine halbe Stunde später legte er die Ruder an. Er wusste, dass er Patterson's Cove passiert hatte, und hier, unterhalb des Schwalbennest-Leuchtturms, waren einige seiner Hummerfallen ausgelegt. Die hölzernen Markierungsbojen waren mit roten und weißen Streifen bemalt, den Farben der Makers, aber wahrscheinlich würde er in dieser Suppe über sie hinwegfahren, bevor er sie sah.

Crawford stutzte. Neben dem Boot, steuerbords, a