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Washington Black

Roman von Esi Edugyan
Auflage:1. Auflage
Seitenanzahl:512 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2019
Verlag: Eichborn
ISBN:978-3-7325-7842-9
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Kurztext / Annotation

Die Flucht ist nur der Anfang

Barbados, 1830: Der schwarze Sklavenjunge Washington Black schuftet auf einer Zuckerrohrplantage unter unmenschlichen Bedingungen. Bis er zum Leibdiener Christopher Wildes auserwählt wird, dem Bruder des brutalen Plantagenbesitzers. Christopher ist Erfinder, Entdecker, Naturwissenschaftler - und Gegner der Sklaverei. Das ungleiche Paar entkommt in einem selbst gebauten Luftschiff von der Plantage. Es beginnt eine abenteuerliche Flucht, die die beiden um die halbe Welt führen wird.

Eine Geschichte von Selbstfindung und Verrat, von Liebe und Erlösung. Und eine Geschichte über die Frage: Was bedeutet Freiheit?

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

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ZWEI

Während meiner gesamten Kindheit hatte ich niemanden außer Big Kit, wie man sie auf den Feldern nannte. Ich liebte und fürchtete sie zugleich.

Ich war etwa fünf Jahre alt, als ich die Frau verärgerte, die über unsere Unterbringung bestimmte, und zur Strafe in die unwirtlichste aller Hütten unter dem toten Palmbaum geschickt wurde, wo ich von nun an leben sollte. Kits Hütte. Am ersten Abend stahl man mir das Essen und zerbrach meine Holzschüssel; ein Mann, den ich nicht kannte, schlug mir so hart gegen den Kopf, dass ich das Gleichgewicht verlor und nichts mehr hörte. Zwei kleine Mädchen bespuckten mich. Ihre uralte Großmutter drückte mich zu Boden, ihre Krallen in meine Arme versenkt, und schnitt mir die selbstgemachten Sandalen von den Füßen, um an das Leder zu kommen.

Da hörte ich zum ersten Mal Big Kits Stimme.

»Den nicht«, sagte sie leise.

Das war alles. Doch dann strömte eine monströse Ladung dunkler Energie, gewaltig und unaufhaltsam wie eine Sturzwelle, in unsere Richtung und riss die alte Frau an den Haaren in die Höhe und warf sie zur Seite, als wäre sie nichts als ein knochenloser Stofffetzen. Ich glotzte entsetzt. Big Kit starrte einfach nur aus orangefarbenen Augen auf mich herab, als widerte ich sie an, und kehrte zu ihrem Stuhl in der Ecke zurück.

Am nächsten Morgen kauerte sie jedoch im blassen Licht neben mir. Sie bot mir ihre Schüssel mit Brei, fuhr die Linien meiner Hand entlang. »Du wirst großes, gewaltiges Leben haben, Kind«, raunte sie. »Leben aus vielen Flüssen.« Und dann spuckte sie in meine Hand und schloss meine Faust, sodass der Speichel zwischen meine Knöchel rann. »Das ist erster Fluss, genau hier«, sagte sie und fing an zu lachen.

Ich vergötterte sie. Sie überragte alle, war riesig und unerbittlich. Aufgrund ihrer Größe und weil sie im alten Dahomey, bevor man sie verschleppt hatte, eine Salzwasser-Hexe gewesen war, wurde sie gefürchtet. Sie säte Flüche in die Erdschicht unter den Hütten. Über Türschwellen hingen ausgeweidete Krähen. Drei Wochen lang nahm sie einem kräftigen Schmiedelehrling jeden Morgen und jeden Abend gewaltsam das Essen weg und aß es vor seinen Augen, schöpfte mit den Fingern aus seiner Schüssel, bis sie zu irgendeiner Art Übereinkunft gelangten. In den glimmenden Feldern glänzte sie wie eingeölt, summte leise seltsame Lieder und riss die karge Erde auf, wobei sich unter ihrer Haut die Muskeln wölbten. In manchen Nächten lag sie in der Hütte und murmelte etwas im Schlaf, in dieser tiefen, dichten Sprache ihres Königreichs, bevor sie laut aufschrie. Niemand redete je darüber, und am nächsten Tag arbeitete sie auf den Feldern stets wie eine wild gewordene Furie, wie eine schonungslose Axt, die keinen Unterschied machte, was sie zerstörte und was sie erntete. Ihr wahrer Name sei Nawi, wie sie mir einmal flüsternd erzählte. Sie habe drei Söhne gehabt. Sie habe einen Sohn gehabt. Sie habe keine Söhne gehabt, nicht einmal eine Tochter. Mit jedem Mond veränderten sich ihre Geschichten. Ich erinnere mich daran, wie sie manchmal bei Sonnenaufgang eine Handvoll Erde über ihr Messer rieseln ließ und irgendeine Beschwörungsformel murmelte, ihre Stimme belegt, wie von Gefühlen übermannt. Sie sog die Luft durch die Zähne ein und schielte nach oben, bevor sie zu erzählen begann: »Als ich königliche Wache war in Dahomey« oder »nachdem ich die Antilope mit meinen Händen zerquetscht habe, etwa so«, und sofort hörte ich auf, womit auch immer ich gerade beschäftigt war, und lauschte ihr gebannt. Denn sie war wie ein Wunder, Zeugin einer Welt, die ich mir nicht vorzustellen vermochte, weit weg von den Hütten und grausamen Feldern von Faith.

Unter unserem neuen Master wurde es auf Faith zunehmend düster. In seiner zweiten Woche entließ er die alten Aufseher. An ihrer Stelle erschienen grobschlächtige tätowierte Männer von den Docks, die in der Hitze die roten Gesichter verzogen. Ehemalige Soldaten oder Skla