Mo - Fr: 09:00 - 12:30 I 14:00 - 18:00, Sa: 09:00 - 12:30Tel.: 06582 / 72562
Die SpiegelreisendeOverlay E-Book Reader

Die Spiegelreisende

Band 1 - Die Verlobten des Winters | Eine unvergessliche Heldin und eine atemberaubende Fantasy-Welt | SPIEGEL-Bestseller von Christelle Dabos
Auflage:1. Auflage
Seitenanzahl:535 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2019
Verlag: Insel Verlag
ISBN:978-3-458-76600-1
€ 4,99 inkl. MwSt. EPUB sofort downloaden
Downloads sind nur für Kunden mit Rechnungsadresse in Österreich möglich!
In den Warenkorb Auf meinen Merkzettel
Kurztext / Annotation

Ophelia lebt auf der friedlichen Arche Anima. Am liebsten versteckt sie sich hinter ihrer Brille und einem langen Schal. Dabei hat die junge Frau ganz besondere Talente: Sie kann Gegenstände lesen und durch Spiegel reisen. Eines Tages wird ihr Unheilvolles verkündet: Sie soll auf den eisigen Pol ziehen und den Adligen Thorn heiraten. Wer ist dieser Mann, und warum wurde ausgerechnet sie auserkoren? Ophelia macht sich auf den Weg in ihr neues, blitzgefährliches Zuhause, nichtsahnend, welche tödlichen Intrigen sie auf der Reise erwarten ...

Eine unvergessliche Heldin, eine atemberaubende Fantasiewelt und eine Geschichte, wie sie noch nicht erzählt wurde - Christelle Dabos hat mit ihrer Serie ein Universum geschaffen, in dem man ewig verweilen möchte.



Christelle Dabos wurde 1980 an der Côte d’Azur geboren. Nach ihrem Studium zog sie nach Belgien und arbeitete als Bibliothekarin. Als sie 2007 an Krebs erkrankte, begann sie zu schreiben. Zunächst veröffentlichte sie auszüge aus Die Spiegelreisende im Internet. Nachdem sie den Jugendbuchwettbewerb von Gallimard Jeunesse gewann, wurde der erste Band der Serie Die Verlobten des Winters publiziert und entwickelte sich rasch zu einem Bestseller. Die ersten drei Bände sind auch in Deutschland Bestseller geworden.

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Mehr lesen

Der Archivar

Es heißt oft, alte Behausungen hätten eine Seele. Auf der Arche Anima, wo Dinge ein Eigenleben führen, neigen die alten Häuser vor allem dazu, furchtbar schrullig zu werden.

Das Gebäude des Familienarchivs, zum Beispiel, war stets übler Laune. Immerzu ächzte es, knarzte, tropfte und schnaubte, um seine Unzufriedenheit kundzutun. Es konnte die Zugluft nicht ausstehen, die im Sommer die Türen knallen ließ, und den Regen, der im Herbst die Dachrinne verstopfte. Es hasste die Feuchtigkeit, die ihm während des Winters in die Mauern kroch, ebenso sehr wie das Unkraut, das jedes Frühjahr wieder in seinem Hof zu sprießen begann.

Mehr als alles andere aber verabscheute das Gebäude Besucher, die sich nicht an die Öffnungszeiten hielten.

Sicherlich war das der Grund, warum es an diesem Septembermorgen noch mehr ächzte und knarzte, tropfte und schnaubte als sonst. Es spürte, dass jemand kam, obwohl es noch viel zu früh dafür war. Obendrein stand dieser Gast nicht mal draußen vor der Tür, wie es sich gehörte. Nein, er verschaffte sich Zutritt wie ein Dieb, direkt durch die Garderobe.

Dort wuchs plötzlich eine Nase mitten aus einem Spiegelschrank.

Sie schob sich weiter vor, und bald folgten ihr eine Brille, eine geschwungene Augenbraue, Stirn, Mund, Kinn, Wangen, Augen, Haare, ein Hals und Ohren. Bis zu den Schultern aus dem Spiegel ragend, blickte der Eindringling erst nach rechts, dann nach links. Nun tauchte etwas weiter unten ein Knie auf, und schließlich stieg die ganze Gestalt aus dem Glas hervor wie aus einer Badewanne. Einmal herausgeschlüpft, sah man von ihr nichts weiter als einen abgetragenen Mantel, eine Brille und einen langen, dreifarbigen Schal.

Unter all diesen Schichten verborgen befand sich Ophelia.

Um sie herum protestierte nun die gesamte Garderobe, empört über den Störenfried, der die Archivordnung derart missachtete. Die Schränke quietschten in den Angeln und stampften mit den Füßen, während die Kleiderbügel laut klappernd aneinanderstießen, als würde ein Poltergeist zwischen ihnen sein Unwesen treiben.

Dieser Wutausbruch beeindruckte Ophelia nicht im Geringsten. Sie war die Launen des alten Gemäuers gewohnt.

»Schsch«, flüsterte sie. »Ganz ruhig.«

Sofort hörten die Möbel auf zu rumoren, und die Kleiderbügel verstummten. Das Archivgebäude hatte sie erkannt.

Durch eine Tür mit der Aufschrift ACHTUNG, GEKÜHLTE RÄUME, NUR MIT MANTEL BETRETEN verließ Ophelia die Garderobe und ging, die Hände in den Taschen, ihren Schal im Schlepptau, an einer endlosen Reihe beschrifteter Aktenschränke entlang: »Geburtenregister«, »Sterberegister«, »Register der Genehmigungen von Verwandtenheirat« und so weiter. Leise öffnete sie die Tür zum Lesesaal, der still und verlassen dalag. Morgenlicht sickerte schräg durch die geschlossenen Fensterläden und ließ im Halbdunkel eine Reihe von Schreibpulten erkennen. Der Gesang einer Amsel im Hof lieferte die passende Untermalung. Im Archiv war es so kalt, dass man Lust bekam, alle Fenster aufzureißen, um die warme Luft von draußen hereinzulassen.

Ophelia blieb eine Weile reglos auf der Schwelle stehen und beobachtete, wie die Sonnenstrahlen übers Parkett wanderten, während allmählich der Tag anbrach. Sie atmete tief den Geruch der alten Möbel und des kalten Papiers ein.

Diesen Geruch, der ihre Kindheit begleitet hatte und von dem sie sich bald würde verabschieden müssen.

Langsam ging sie zur Wohnung des Archivars, dessen privater Bereich durch einen einfachen Vorhang vom Lesesaal abgeteilt war. Trotz der frühen Stunde erfüllte ihn bereits ein intensiver Kaffeeduft. Ophelia hustete in ihren Schal, um sich anzukündigen, doch eine Opernarie übertönte sie. In dem einzigen Raum, der zugleich als Küche, Wohn-, Schlaf- und Lesezimmer diente, musste sie nicht lange nach dem Archivar suchen.