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Die Geschichte des verlorenen Kindes

Band 4 der Neapolitanischen Saga (Reife und Alter) | Das perfekte Geschenk zum Muttertag von Elena Ferrante
Auflage:1. Auflage
Seitenanzahl:614 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2018
Verlag: Suhrkamp
ISBN:978-3-518-77797-8
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Kurztext / Annotation

Als ich nach Neapel zurückzog, vermied ich es, wieder feste Beziehungen zu Lila aufzubauen. Das war nicht leicht. Sie versuchte fast sofort, erneut in mein Leben einzubrechen, und ich ignorierte sie, tolerierte sie, ertrug sie.
Es sind die achtziger Jahre, Elena ist schließlich doch nach Neapel zurückgekehrt, aus Liebe. Die beste Entscheidung ihres ganzen Lebens, glaubt sie, doch als sich ihr nach und nach die ganze Wahrheit über den geliebten Mann offenbart, fällt sie ins Bodenlose. Lila, die ihren Schicksalsort nie verlassen hat, ist eine erfolgreiche Unternehmerin geworden, aber dieser Erfolg kommt sie teuer zu stehen. Denn sie gerät zusehends in die grausame, chauvinistische Welt des verbrecherischen Neapels, eine Welt, die sie zeit ihres Lebens verabscheut und bekämpft hat.



Elena Ferrante hat sich mit dem Erscheinen ihres Debütromans im Jahr 1992 für die Anonymität entschieden. Ihre vierbändige Neapolitanische Saga - bestehend aus Meine geniale Freundin, Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege und Die Geschichte des verlorenen Kindes - ist ein weltweiter Bestseller. Zuletzt erschienen im Suhrkamp Verlag auch Ferrantes frühere Romane Lästige Liebe, Tage des Verlassenwerdens und Frau im Dunkeln, sowie der Band Frantumaglia, der Briefe, Aufsätze und Interviews versammelt.

Beschreibung für Leser

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3

Von den Tagen in Montpellier weiß ich noch alles, nur nicht, wie die Stadt aussah, es ist, als wäre ich nie dort gewesen. Außerhalb des Hotels, außerhalb des gewaltigen Audimax, in dem die wissenschaftliche Tagung stattfand, an der Nino teilnahm, sehe ich heute nur noch einen windigen Herbst und einen hellblauen, auf weißen Wolken liegenden Himmel. Trotzdem ist mir der Name Montpellier aus vielen Gründen wie ein Signal der Flucht im Gedächtnis geblieben. Ich war schon einmal im Ausland gewesen, mit Franco in Paris, und meine eigene Kühnheit hatte mich elektrisiert. Doch damals war es mir so vorgekommen, als wären der Rione und Neapel für immer meine Welt und würden es auch immer bleiben, während alles andere wie ein kurzer Ausflug war, eine Ausnahmesituation, in der ich mich fühlen konnte, wie ich in Wahrheit nie sein würde. Dagegen war mir in Montpellier, obwohl es bei weitem nicht so aufregend wie Paris war, als wären alle meine Dämme gebrochen und als würde ich über die Ufer treten. Schon allein die Tatsache, dass ich mich in dieser Stadt befand, war in meinen Augen der Beweis dafür, dass der Rione, Neapel, Pisa, Florenz, Mailand, ja ganz Italien nur winzige Splitter der Welt waren und dass ich gut daran tat, mich nicht mehr mit diesen Splittern zu begnügen. In Montpellier wurde mir die Begrenztheit meines Blicks und auch der Sprache bewusst, in der ich mich ausdrückte und in der ich geschrieben hatte. In Montpellier wurde mir klar, wie einengend es sein konnte, mit zweiunddreißig Jahren Hausfrau und Mutter zu sein. In diesen Tagen voller Liebe fühlte ich mich erstmals frei von den Fesseln, die im Laufe der Jahre entstanden waren, von den Fesseln, die aus meiner Herkunft erwuchsen, von denen, die sich aus meinen Studienerfolgen ergaben, und von denen, die sich aus meinen Lebensentscheidungen ableiteten, vor allem aus meiner Heirat. In Montpellier konnte ich auch besser nachvollziehen, warum ich mich so gefreut hatte, als ich erfahren hatte, dass mein erstes Buch in andere Sprachen übersetzt worden war, und warum ich so niedergeschlagen gewesen war, nachdem ich außerhalb von Italien nur wenige Leser gefunden hatte. Es war wunderbar, Grenzen zu überschreiten, sich in anderen Kulturen treiben zu lassen, die Vorläufigkeit dessen zu entdecken, was ich für endgültig gehalten hatte. Wenn ich den Umstand, dass Lila nie aus Neapel herausgekommen war - sogar San Giovanni a Teduccio hatte ihr schon Angst gemacht -, früher für eine fragwürdige Entscheidung gehalten hatte, die sie allerdings für gewöhnlich in ein vorteilhaftes Licht zu setzen verstand, so schien er mir jetzt nur ein Zeichen geistiger Enge zu sein. Ich reagierte, wie man auf jemanden, der einen beleidigt, reagiert, indem man dieselben Worte verwendet, die einen beleidigt haben. »Du hast dich in mir getäuscht? Nein, meine Liebe, ich bin es, ich, die sich in dir getäuscht hat: Du wirst dein Leben lang den vorbeifahrenden Lastwagen auf dem Stradone nachschauen.«

Die Tage verflogen. Die Organisatoren der Tagung hatten für Nino schon vor geraumer Zeit ein Einzelzimmer im Hotel gebucht, und da ich mich zu spät entschlossen hatte, ihn zu begleiten, war es nicht mehr möglich gewesen, stattdessen ein Doppelzimmer zu bekommen. Wir waren getrennt untergebracht, aber jeden Abend nahm ich eine Dusche, machte mich für die Nacht fertig und schlüpfte mit einigem Herzklopfen in sein Zimmer. Wir schliefen zusammen, eng aneinandergeschmiegt, als fürchteten wir, eine feindliche Macht könnte uns im Schlaf trennen. Morgens ließen wir uns das Frühstück ans Bett bringen, wir genossen diesen Luxus, den ich nur aus dem Kino kannte, lachten viel, waren glücklich. Tagsüber leistete ich ihm in dem großen Sitzungssaal Gesellschaft, doch obgleich die gelangweilten Redner Seite um Seite herunterleierten, war ich begeistert, denn ich war mit ihm zusammen, saß neben ihm, doch ohne ihn zu stören. Nino verfolgte die