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Ich an meiner Seite

Roman von Birgit Birnbacher
Auflage:1. Auflage
Seitenanzahl:272 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2020
Verlag: Paul Zsolnay Verlag
ISBN:978-3-552-05993-1
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Kurztext / Annotation

Der Roman der Bachmann-Preisträgerin von 2019: Humorvoll und empathisch erzählt Birgit Birnbacher vom jungen Arthur, der nach seiner Zeit im Gefängnis nur schwer eine neue Chance bekommt.
Arthur, 22, still und intelligent, hat 26 Monate im Gefängnis verbracht. Endlich wieder in Freiheit stellt er fest, dass er so leicht keine neue Chance bekommt. Ohne die passenden Papiere und Zeugnisse lässt man ihn nicht zurück ins richtige Leben. Gemeinsam mit seinem unkonventionellen Therapeuten Börd und seiner glamourösen Ersatzmutter Grazetta schmiedet er deshalb einen ausgefuchsten Plan. Eine kleine Lüge, die die große Freiheit bringen könnte ... Humorvoll und empathisch erzählt Bachmann-Preisträgerin Birgit Birnbacher davon, wie einer wie Arthur überhaupt im Gefängnis landen kann, und geht der großen Frage nach, was ein 'nützliches' Leben ausmacht.

Birgit Birnbacher, geboren 1985, lebt als Schriftstellerin in Salzburg. Ihr Debütroman Wir ohne Wal (2016) wurde mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto Stiftung ausgezeichnet, darüber hinaus erhielt sie zahlreiche Förderpreise und 2019 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Bei Zsolnay erschienen zuletzt die Romane Ich an meiner Seite (2020) und Wovon wir leben (2023).

Beschreibung für Leser

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2

Hallein, Mai 1988

Er heißt Arthur, aber nicht einmal das stimmt ganz. Jedenfalls: Jetzt wird er geboren. Das rosa Leben in den Händen von Marianne und Ramon, blutverschmiert, blaugeprellt, ein beim Brüllen zitterndes Gaumenzäpfchen. Marianne riecht an ihrem Sohn und denkt: Wenn so das Menscheninnerste riecht, dann kann nicht alles verloren sein. Was nicht so oft vorkommt: Wie einig sich Marianne und Ramon sind, zum Beispiel wenn sie sagen: »Das Schönste, was es gibt.« Dass selbst Ramon ganz still ist, selbstvergessen, wie er da in diesem Stuhl hängt und kurz nicht mit sich selbst beschäftigt ist, sondern das Bündel Säugling in seinen Armen anschaut, seinen zweitgeborenen Sohn.

Später einmal wird Marianne sagen: Die Kinder werden so schnell erwachsen - irgendwann verschwinden sie in ihrem Zimmer und kommen zwei Kopf größer wieder heraus. Schon mit Arthurs Geburt hat sie die ersten Jahre mit seinem Bruder Klaus wieder vergessen. Das Wort Schreikind gab es damals noch nicht, und Marianne hatte keinen Vergleich. Klaus schrie einfach, er schrie die ganze Zeit, niemals schien er richtig satt zu werden, Schlaf brauchte er kaum. Manchmal schrie und döste er zugleich, und Marianne gewöhnte sich an, zu schlafen, wenn er das tat.

Ein zweites Kind war keine Entscheidung für Marianne, es ist passiert.

Und dann kommt Arthur und braucht so wenig. Schaut herum, schaut das Mobile mit den blauen Heißluftballons an, schaut ihnen nach, bewegt die Augen hin und her, verzieht den Mund zu einem Lächeln. Marianne fasst es nicht. Das ist ein ganz anderes Kind, sie merkt sofort: Dieser Mensch genügt sich selbst.

An diesem 29. Mai 1988, als Arthur noch nicht einmal einen Namen hat, sagt sie: »Genau so habe ich ihn mir vorgestellt«, und produziert ein Glücksgefühl. Es ist wahr, Glück ist für Marianne eine Produktionsleistung, etwas, über das sie von Natur aus, so sagt sie, nicht verfügt. Aber Marianne ist fleißig und lernt schnell. Was das Glück anbelangt, haben sich die Zeiten zu Mariannes Ungunsten geändert. Als Marianne Kind war, erzog man seinen Nachwuchs nicht unter der Prämisse, dieser solle glücklich sein. Von ihr hatte niemand gewollt, was sie später von ihren Söhnen verlangte: Sei glücklich! Klaus musste ganze sechs Jahre alt werden, um zum ersten Mal glücklich zu sein, wegen einer Schultüte voller Smarties. Und Arthur? Kam einfach glücklich zur Welt. Ein Kind seiner Zeit. Wusste, bevor er denken konnte, was man von ihm erwartet.

Genau so hat sie sich das alles vorgestellt. Nur ohne die Streitereien um den Namen. Mario, sagt sie mit einer hingehauchten Zärtlichkeit, sie versucht ein Lachen, das ihr nicht mehr so ganz gelingen mag. Marianne erwartet wirklich nicht mehr viel von Ramon, aber dass er ihren Wunsch respektiert, das schon. Immerhin hat sie das Kind zur Welt gebracht. Alles andere regt sie nicht auf, alles andere schiebt sie erst einmal beiseite. Heute wird er ihr mit so etwas nicht kommen. Morgen auch nicht. Sie wird ihm das nicht abnehmen, nichts wird sie aussprechen für ihn. Dabei weiß sie es doch längst: Das steuert auf was zu. Nur Ramon glaubt noch, sie weiß nichts. Wirklich nur er.

An diesem Tag denkt Marianne nicht daran, was werden wird, sie denkt nur: Mario. Was für ein zärtlicher Schwung in diesem Namen liegt, eine Liebe, ohne Liebe in der Stimme kann sie diesen Namen gar nicht aussprechen. Und Feuer! Alles scheint er zu erfüllen, während ein Arthur ihr gar nichts sagt. Oder schlimmer: Wenn er ihr etwas sagte, dann Gladiator, und das möchte sie nun wirklich nicht.

»Mario!«, ruft Ramon mit gespieltem Schock und tut so, als würde Marianne tatsächlich etwas zu sagen haben. »Mario, Maria, ein Mann mit dem Namen seiner Mutter, ein armer Hund!« Er, der Offizier Ramon Galleij, wolle einen S-O-H-N. Er buchstabiert. »Eine Aussage! Hier kommt .