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Michael Köhlmeiers Märchen-Dekamerone

Eine Weltreise in hundert Geschichten von Michael Köhlmeier
Seitenanzahl:736 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2013
Verlag: Diederichs
ISBN:978-3-641-13481-5
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Kurztext / Annotation

Märchen sind der älteste Wissensspeicher der Menschheit und ein Spiegel ihrer Träume, Ängste und Wünsche. Michael Köhlmeier, gefeierter Romancier und begnadeter Erzähler, hat einhundert Geschichten aus aller Welt gesammelt und nach Urszenen geordnet. Neben altbekannten Klassikern - etwa den Märchen der Brüder Grimm, von Hans Christian Andersen oder den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht - gibt es neue Perlen zu entdecken: isländische Sagen und Märchen aus der Karibik ebenso wie Überlieferungen aus den Steppen Nordamerikas. Ein Schatz für jeden Märchenliebhaber, egal ob groß oder klein.

Beschreibung für Leser

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Ritter Blaubart

Es war einmal ein Müller, der eine stattliche Mühle mit Wald und Feld besaß und drei bildschöne Töchter hatte. Einst besuchten die drei Schwestern mitsammen einen Jahrmarkt, um sich Halstücher zu kaufen. Da sie jedoch keine nach ihrem Geschmack finden konnten, machten sie sich, ohne welche gekauft zu haben, verdrossen auf den Heimweg. Als sie so dahingingen, begegnete ihnen ein nobler Herr, der redete sie freundlich an und fragte, warum sie so traurig seien. Sie sagten, daß sie sich auf dem Jahrmarkt schöne Halstücher hätten kaufen wollen, ihnen aber von den feilgehaltenen keines gefallen habe. Da griff der Herr in seine Umhängetasche und schenkte jeder von ihnen ein wunderfeines weißseidenes, mit Fransen und gestickten Blumen geziertes Halstuch und sagte, er werde so frei sein und sie einmal in der Mühle besuchen. Die Mädchen bedankten sich für das schöne Geschenk und setzten ihren Weg fort. Dabei besahen sie die schönen Tücher und fragten sich, wer der Herr wohl sein möchte. Zu Hause angekommen, erzählten sie ihrem Vater von der Begegnung mit dem fremden Herrn und zeigten ihm die Halstücher, welche sie von ihm zum Geschenk erhalten hatten. Der Müller besah dieselben und freute sich selber darüber, denn so etwas Feines hatte er sein Lebtag noch nie gesehen. Drei Wochen waren verflossen, als der Herr in der Mühle erschien. Er wurde freundlich aufgenommen und auf das beste bewirtet. Alsbald machte er dem Müller den Antrag, er möchte eine seiner Töchter zur Frau haben. Wenn sie auch gut versorgt würde, wäre es ihm schon recht, meinte der Müller. Der fremde Herr erwiderte, an dem würde es nicht fehlen, er sei ein reicher Kaufmann. Der Müller begab sich zu seinen Töchtern und fragte sie, ob eine Lust habe, den fremden reichen Kaufmann zu heiraten. Die älteste sagte zu, und der Freier erhielt von ihr das Jawort.

»Aber«, sagte der Herr, »in vierzehn Tagen muß die Hochzeit sein!«

Der Müller wendete ein, das sei doch gar zu bald, die Tochter müsse doch eine Aussteuer haben und in so kurzer Zeit werde man damit nicht fertig werden.

»Eine Aussteuer ist bei mir nicht nötig, ich besitze alles, was wir brauchen, doppelt und dreifach«, erwiderte der Freier.

An dem zur Hochzeit bestimmten Tage fuhren drei Kutschen bei der Mühle vor, welchen der Bräutigam und seine Gefolgschaft entstiegen. Die Trauung wurde in dem nämlichen Pfarrort, wohin die Mühle gehörte, vollzogen. Hierauf begab sich die Hochzeitsgesellschaft in die Mühle zurück, um dort das Hochzeitsmahl einzunehmen, wobei es sehr festlich zuging. Nur zu bald rückte die Zeit der Trennung näher. Tiefes Weh erfüllte die Herzen der Zurückbleibenden, als die junge Frau die Kutsche bestieg und ihnen ein letztes Lebewohl sagte. Nach achttägiger Reise kam das Paar auf dem Wohnsitz des Bräutigams an. Es war ein schönes Schloß, und die Dienerschaft bereitete dem Schloßherrn und seiner jungen Gemahlin einen feierlichen Empfang. Der Raubritter, denn ein solcher war der Schloßherr, zeigte seiner jungen Gemahlin ihr Zimmer; da brauchte sie sich nur hinzusetzen, und wenn sie etwas wünschte, die Glocke auf dem Tische zu läuten, und führte sie in dem prächtig eingerichteten Schloß herum, wo alles strotzte von Seide und Samt und Gold und Silber. Endlich kamen sie zu einer eisernen Türe. Der Ritter wollte seine Gemahlin vorbeiführen, da fragte sie ihn: »Darf ich da nicht hinein?«

Er erwiderte, jedes Zimmer im ganzen Schloß stehe ihr zur Verfügung, nur diese eiserne Tür zu öffnen, sei ihr strengstens verboten.<

Michael Köhlmeier, geb. 1949, wuchs in Hohenems/Vorarlberg auf, wo er auch heute lebt. Für sein Werk wurde der österreichische Bestsellerautor unter anderem mit dem 'Manes-Sperber-Preis', dem 'Anton-Wildgans-Preis', dem 'Grimmelshausen-Preis' sowie 2014 mit dem 'Walter Hasenclever-Literaturpreis' ausgezeichnet. Im Jahr 2015 erhielt er den mit 15.000 Euro dotierten Preis der LiteraTour Nord.