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Die Wälder

Thriller von Melanie Raabe
Seitenanzahl:432 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2019
Verlag: btb Verlag
ISBN:978-3-641-21303-9
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Kurztext / Annotation

Als Nina die Nachricht erhält, dass Tim, ihr bester Freund aus Kindertagen, unerwartet gestorben ist, bricht eine Welt für sie zusammen. Vor allem, als sie erfährt, dass er sie noch kurz vor seinem Tod fast manisch versucht hat, zu erreichen. Und sie ist nicht die Einzige, bei der er sich gemeldet hat. Tim hat ihr nicht nur eine geheimnisvolle letzte Nachricht hinterlassen, sondern auch einen Auftrag: Sie soll seine Schwester finden, die in den schier endlosen Wäldern verschwunden ist, die das Dorf, in dem sie alle aufgewachsen sind, umgeben. Doch will Nina das wirklich? In das Dorf und die Wälder zurückkehren, die sie nie wieder betreten wollte ...

MELANIE RAABE wurde 1981 in Jena geboren. Nach dem Studium arbeitete sie tagsüber als Journalistin - und schrieb nachts heimlich Bücher. 2015 erschien DIE FALLE, 2016 folgte DIE WAHRHEIT, 2018 dann DER SCHATTEN und 2019 DIE WÄLDER. Ihre Romane wurden in 22 Sprachen übersetzt, mehrere Verfilmungen sind in Arbeit. Melanie Raabe betreibt zudem gemeinsam mit der Künstlerin Laura Kampf einen erfolgreichen wöchentlichen Podcast rund um das Thema Kreativität, 'Raabe & Kampf'. Melanie Raabe lebt und arbeitet in Köln. Mit »Die Kunst des Verschwindens« verließ sie erstmals das Gebiet des traditionellen Thrillers und entführt uns in eine Welt, in der alles möglich und nichts selbstverständlich ist.

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

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3

Nina spürte, wie die alte Obsession nach ihr greifen wollte. Versuchte sie abzuschütteln. Das war nur der Schock, redete sie sich ein. Der Schock nach seinem Tod. Jahrelang hatte sie gemeinsam mit ihren Freunden nach der Lösung dieses Rätsels gesucht. Sie hatten immer wieder darüber gesprochen, immer wieder die spärlichen Fakten gewälzt. Nina war fast wahnsinnig geworden darüber. Bis sie endlich beschlossen hatte, dass sie nicht zulassen durfte, dass diese eine Sache ihr ganzes Leben überschattete. Sie hatte es aufgegeben, darüber nachzudenken. Sie hatte akzeptiert, dass sie das letzte Puzzleteil niemals finden würden. Sie hatte das Dorf nicht wieder betreten. Sie war erwachsen geworden. Sie hatte gelernt und Prüfungen abgelegt, sie hatte sich an der Uni eingeschrieben, sie hatte noch mehr gelernt und noch mehr Prüfungen abgelegt, sie war mit ein paar sehr netten, sehr harmlosen Männern zusammen gewesen, von denen keiner in der Lage gewesen war, sie im Kern zu berühren. Arbeit und Abende vor dem Fernseher. Normalität. Über so viele Jahre hinweg hatte sie nach Stabilität gestrebt. Und dann glaubte Tim, das mit einem einzigen Anruf davonfegen zu dürfen?

Nina stand auf und goss sich noch ein Glas Wasser ein, trank im Stehen. Ihre Gedanken irrlichterten. Wo sie wohl gewesen war, was sie wohl gerade getan hatte, als Tim gestorben war?

Wieder brach sie in Tränen aus. Sie griff nach ihrem Handy, gab den Namen ihres besten Freundes bei Google ein und klickte auf die Rubrik News. Das hatte sie in den letzten Jahren häufig so gemacht, wenn sie Tim nicht erreichen konnte, weil er in der Weltgeschichte herumreiste. Seit er so erfolgreich geworden war, war das Internet oft der schnellste Weg, um herauszufinden, was Tim gerade trieb. Als sich sein schönes, lächelndes Gesicht nun auf dem Display aufbaute, stockte ihr der Atem. Nicht nur, weil sie Stück für Stück zu begreifen begann, dass sie ihn niemals wiedersehen würde. Sondern auch wegen der Bildunterschrift: Tims voller Name, sein Alter - und daneben ein kleines Kreuz.

Ninas bester Freund war tot. Sie hatte die Nachricht noch nicht annähernd verdaut, und das Internet wusste es schon. Hastig klickte sie die Nachrichtenseite weg.

Wann genau war Tim überhaupt gestorben? Das wusste das Internet ebenso wenig wie sie, doch urplötzlich kam ihr diese Frage unfassbar wichtig vor.

Sie musste noch einmal mit Tims Mutter sprechen. Die Küchenuhr zeigte kurz vor halb sieben. Es war gerade mal anderthalb Stunden her, dass Nina die Todesnachricht erhalten hatte, und doch fühlte es sich so an, als wären seitdem ganze Tage vergangen. Sie stellte das leere Glas weg, nahm ihr Handy und tippte eine SMS.

Rita, sind Sie wach?

Die Antwort kam fast augenblicklich.

Bin ich.

Nina atmete tief durch, dann wählte sie Ritas Nummer.

Tims Mutter hob sofort ab.

»Nina.«

Dieses Mal klang sie anders als zuvor. Klarer. Stabiler.

»Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe«, sagte Nina.

»Ach, du störst mich doch nicht, Liebes. Was möchtest du denn?«

Nina runzelte die Stirn. Damit, dass Rita so aufgeräumt klingen würde, hatte sie nicht gerechnet. Sie suchte nach den richtigen Worten. Hatte sie Tims Mutter, als die ihr vorhin die Todesnachricht überbracht hatte, eigentlich schon ihr Beileid ausgesprochen?

»Möchtest du Tim sprechen?«, fragte Rita.

Nina blinzelte.

»Wie bitte?«

»Ob du Tim sprechen willst«, wiederholte Rita, plötzlich heiter. »Der ist nämlich gerade nicht da.«

»Ich verstehe nicht.«

»Seid ihr verabredet oder so was?«

Nina hielt sich an der Tischkante fest.

»Rita«, sagte sie langsam. »Ich...«

Sie brach ab, denn sie hatte keine Ahnung, wie dieser Satz enden sollte. Schon oft in ihrem Leben hatte sie von Menschen gehört, die über den Kummer, den der Verlust eines Kindes auslöste, wahnsinnig