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Die Insel der letzten Geheimnisse

Roman von Emma Piazza
Seitenanzahl:304 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2019
Verlag: Penguin Verlag; Rizzoli, Rizzoli Libri S.p.a., Mailand 2018
ISBN:978-3-641-22101-0
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Kurztext / Annotation

Ein altes Haus hoch über dem Meer. Eine Insel, auf der niemand wagt, die Wahrheit zu sagen.
Niemals wollte Thérèse nach Korsika zurückkehren, auch wenn sie immer wieder eine Sehnsucht verspürt nach dem alten Haus der Familie auf den Klippen hoch über dem Meer. Doch nun erfordert eine Erbsache ihre Anwesenheit vor Ort. Sofort nimmt die raue Schönheit der Insel sie wieder gefangen: die Wildheit der Macchia, die Wellen, die gegen die Felsen branden. Aber nur zu bald holt die dunkle Vergangenheit ihrer Familie sie ein. Sie fühlt sich beobachtet, und eines Morgens wacht sie als Gefangene in einem fremden Haus auf. Was geht hier vor sich? Niemand will ihr helfen. Denn auf dieser Insel kennt zwar jeder außer Thérèse die Wahrheit, aber alle schweigen ...

Emma Piazza wurde in Pavia geboren; ihre Mutter ist Italienerin, ihr Vater Korse. Sie arbeitet in einer literarischen Scout-Agentur und lebt derzeit in Barcelona. Mit »Die Insel der letzten Geheimnisse« hat sie sich ihren Traum erfüllt und das Buch geschrieben, nach dem sie immer gesucht hat.

Beschreibung für Leser

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Kapitel eins

Lissabon, Ende Februar 2016

Du fehlst mir. Das ist das Erste, was ich dir sagen möchte. Du fehlst mir, und seit du nicht mehr da bist, ist mein Leben ein einziges Tappen im Dunkeln.

Ich habe gleich die erstbeste Wohnung gemietet, die mir untergekommen ist. Sie ist wunderschön, aber auch teurer als geplant, geht nach Südwesten und hat ein hohes, breites Fenster, durch das viel Licht hereinfällt. Ich habe diese Wohnung ganz allein für mich gemietet - du wirst sie vielleicht nie zu sehen bekommen. Der Gedanke, dass es etwas in meinem Leben gibt, das du nicht kennenlernen wirst, bricht mir das Herz.

Ich darf nicht daran denken.

Ich stelle den Kaffee von gestern zum Aufwärmen auf den Herd, mache das Fenster weit auf und lasse die Sonne und ihre Kraft herein. Lissabon wird nicht umsonst die »Stadt des Lichts« genannt.

Und gerade jetzt brauche ich einen Ort, der mich daran erinnert, dass jeden Morgen die Sonne wieder aufgeht und einen neuen Tag bringt. Ich hole tief Luft und sage mir, dass alles in Ordnung ist. Noch ist der nächste Abend mit seinen Schatten weit weg.

Zunächst aber erwartet mich draußen ein heller Tag.

Die Straßen scheinen direkt in den Himmel hinaufzuführen, der dunkelrot leuchtet. Wenn ich in eine von ihnen einbiege, stelle ich mir vor, dass an ihrem oberen Ende das Nichts beginnt. Ich laufe ziellos herum, ich muss meinen Kopf freikriegen. Pastellfarbene Häuser, Mosaikfliesen, ein alles beherrschendes Weiß.

Die ganze Stadt ist weiß, und ich fühle mich wie ein schmaler dunkler Umriss auf einem weißen Blatt Papier.

Ich bin hierhergekommen, weil ich dachte, der Umzug würde mir helfen, dich zu vergessen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Da ist nämlich etwas, das mich geradezu zwingt, öfter an dich zu denken, als mir lieb ist.

Und es schmerzt, dass du nicht anrufst. Als ob ich aus deinen Gedanken verschwunden wäre, so wie ich manchmal von dieser Welt verschwunden zu sein scheine.

Dann wieder sage ich mir, dass all das nur Gefühle sind. Das Gehirn ist voller Gift, wenn es unter Stress steht. Um den abzubauen, esse ich viel Gemüse, vor allem Brokkoli, und trinke Wasser mit einem Schuss Zitrone wegen der Vitamine.

Obwohl ich mir immer wieder einrede, dass ich jung und stark bin und das ganze Leben noch vor mir habe und dass sich mir gerade die Chance schlechthin bietet, kann ich einfach nicht vergessen, was du mir bedeutet hast. Deshalb setze ich mich auf meinen Streifzügen immer wieder auf eine Bank und breche in Tränen aus.

Und frage mich, ob du mich hörst.

Ich bin dreißig und attraktiv, vielleicht sogar schön. Meine Augen sind schmal und grün. Wie bei einer Spionin, hast du immer gesagt. Dazu gelockte, schulterlange Haare, weizenblond, zwischen denen ich vor einigen Tagen ein weißes entdeckt habe. Meine Figur ist noch immer schlank, wenngleich meine wohlgerundeten Hüften und meine Brüste nicht mehr die eines jungen Mädchens sind. Aber ich habe es satt, ständig über mein Aussehen nachzudenken - jetzt, da ich meinen Zenit zu überschreiten beginne, wird mir bewusst, wie unwichtig mir das eigentlich ist. Wenigstens für eine Weile will ich das ausblenden. Schließlich bin ich in diese Stadt gezogen, um nicht mehr nachzudenken.

An nichts zu denken.

Kein Ziel zu haben.

Bis zur Erschöpfung spaziere ich durch Lissabon. Damit fülle ich die Leere. Ganz egal, welche Straße ich nehme, früher oder später lande ich fast immer auf der Praça do Comércio, einem der zentralen Plätze der Stadt, und betrachte das Meer und den Fluss. Heute ist das nicht anders.

Als ich wieder zu Hause bin, habe ich weiche Knie, und meine Beine gehorchen mir nicht mehr. Stille umfängt mich, ein angenehmes und zugleich schmerzhaftes Gefühl. Die leere Leinwand in der Mitte des Raumes starrt mich vorwurfsvoll an und erinnert mich daran, wie schwer es ist, alles zurückzulassen.