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Weil niemand sie sahOverlay E-Book Reader

Weil niemand sie sah

Roman von Lisa Jewell
Seitenanzahl:384 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2020
Verlag: Limes Verlag; Arrow, London 2017
ISBN:978-3-641-23503-1
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Kurztext / Annotation

Ein Mädchen - verschwunden. Die Wahrheit - tief vergraben. Doch manchmal bringt die Zeit selbst das Unvorstellbarste ans Licht ...
Ellie Mack war fünfzehn. Klug, gewitzt, der Liebling ihrer Mutter. Sie hatte ihr ganzes Leben noch vor sich. Bis sie von einem Tag auf den anderen spurlos verschwand. Zehn Jahre sind seitdem vergangen, doch insgeheim hat Laurel nie die Hoffnung aufgegeben, ihre Tochter irgendwann wiederzufinden. Ihr eigenes Glück ist nebensächlich geworden. Dann lernt sie einen Mann kennen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Was ihr jedoch wirklich den Atem raubt, ist die Begegnung mit seiner neunjährigen Tochter - denn diese ist Ellie wie aus dem Gesicht geschnitten. All die unbeantworteten Fragen sind mit einem Mal wieder da: Was geschah damals mit Ellie? Und gibt es jemanden, der endlich Licht ins Dunkel bringen kann?

Lisa Jewell ist eine von Großbritanniens großen Bestsellerautorinnen. Sie wurde 1968 in London geboren und arbeitete viele Jahre in der Modebranche, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in London.

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

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Dreizehn

Laurel gibt dem jungen Mädchen, das ihr die Haare gewaschen hat, eine Zwei-Pfund-Münze. »Vielen Dank, Dora«, sagt sie mit einem freundlichen Lächeln.

Dann gibt sie der Friseurin eine Fünf-Pfund-Note und sagt: »Danke, Tania, die Frisur sieht toll aus, wirklich. Lieben Dank.«

Ein letztes Mal betrachtet sie ihr Aussehen in der Spiegelwand, dann verlässt sie den Salon. Ihre Haare sind schulterlang, blond, schwungvoll und glänzend. Ihre Haare sind das genaue Gegenteil von dem, was darunter liegt. Wenn jemand für achtzig Pfund ihrer Psyche eine schwungvolle, glänzende Politur verpassen würde, sie würde es machen. Und sie würde viel mehr Trinkgeld als eine Fünf-Pfund-Note geben.

Es ist ein windiger Herbstnachmittag. Ihre Haare fühlen sich so leicht wie Seide an, wenn sie um ihren Kopf wippen. Es ist schon spät, sie ist hungrig und beschließt, mit dem Essen nicht bis zu Hause zu warten. Sie geht in ein Café drei Häuser von ihrem Friseursalon entfernt und bestellt sich einen Käsetoast und einen entkoffeinierten Cappuccino. Sie isst schnell, der Käse zieht kaugummiartige Fäden, die reißen und an ihrem Kinn kleben bleiben. Sie hat gerade eine Papierserviette vor dem Mund, als ein Mann hereinkommt.

Er ist normal groß, normal gebaut, um die fünfzig. Seine Haare sind kurz geschnitten, graue Schläfen, Geheimratsecken, auf dem Kopf dunkler. Er trägt eine gute Jeans und ein hübsches Hemd, Schnürschuhe, eine Schildpattbrille: genau die Sachen, die auch Paul tragen würde. Und auch wenn ihre Gefühle für Paul kompliziert und schrecklich verwirrend sind, muss sie ihm doch zugestehen, dass er immer gut aussieht.

Überrascht stellt sie fest, dass sie den Mann in der Tür beinahe anhimmelt. Er hat etwas Besonderes an sich: eine leichte Arroganz und ein gewisses Funkeln in den Augen. Sie beobachtet ihn, während er sich an der Theke anstellt, und betrachtet ihn genauer: ein flacher, weicher Bauch, schöne Hände, ein leicht abstehendes Ohr. Er sieht nicht im herkömmlichen Sinne gut aus, er wirkt wie ein Mann, der sich mit seinen physischen Nachteilen abgefunden hat und ganz und gar auf seine Persönlichkeit konzentriert ist.

Er bestellt ein Stück Möhrenkuchen und einen schwarzen Kaffee - sein Akzent ist schwer einzuordnen, vielleicht amerikanisch, oder er ist ein Ausländer, der Englisch von Amerikanern gelernt hat -, dann trägt er Kaffee und Kuchen zu dem Tisch direkt neben ihrem. Laurel verschlägt es den Atem. Er scheint nicht bemerkt zu haben, dass sie ihn beobachtet hat, und setzt sich direkt neben sie, dabei sind fast alle Tische im Café frei. Panik überkommt sie, denn sie glaubt, unbewusst, unbeabsichtigt seine Aufmerksamkeit erregt zu haben. Sie will nicht von ihm beachtet werden. Sie will von niemandem beachtet werden.

Eine Zeit lang sitzen sie beide so da, Seite an Seite. Er schaut sie nicht an, nicht ein einziges Mal, aber Laurel spürt, dass er so etwas wie eine Absicht hegt. Der Mann spielt mit seinem Smartphone. Laurel isst ihr Käsesandwich in kleinen Bissen weiter. Nach einer Weile denkt Laurel, dass sie sich das alles nur eingebildet hat. Sie trinkt ihren Kaffee aus und macht sich bereit zum Gehen.

Dann: »Sie haben wunderschöne Haare.«

Sie dreht sich um, schockiert über seine Worte. »Oh.«

»Wirklich sehr hübsch.«

»Danke.« Unwillkürlich fährt sie sich mit der Hand durch die Haare. »Ich war gerade beim Friseur. Normalerweise sehen meine Haare nicht so gut aus.«

Er lächelt. »Haben Sie schon jemals diesen Möhrenkuchen gegessen?«

Sie schüttelt den Kopf.

»Er ist ziemlich lecker. Möchten Sie ihn probieren?«

Sie lacht nervös auf. »Nein, danke. Ich ...«

»Ich habe sogar einen unbenutzten Löffel.« Er schiebt ihn über den Tisch zu ihr hin. »Kommen Sie, ich kann das unmöglich alles allein aufessen.«

Ein Lichtstrahl, hell wie ein Fackelschein, wandert durch das Café und bringt den Löffel zum