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Der Kinderflüsterer

Roman von Alex North
Seitenanzahl:448 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2019
Verlag: Blanvalet Verlag; Michael Joseph, London 2019
ISBN:978-3-641-23998-5
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Kurztext / Annotation

Sein Flüstern hinterlässt eine tödliche Spur ... »Lesen auf eigene Gefahr!« A. J. Finn
Nach dem plötzlichen Tod seiner geliebten Frau will Tom Kennedy mit seinem kleinen Sohn Jake neu anfangen. Ein neuer Start, ein neues Haus, eine neue Stadt - Featherbank. Doch der beschauliche Ort hat eine düstere Vergangenheit. Vor zwanzig Jahren wurden in Featherbank fünf Kinder entführt und getötet. Der Mörder wurde unter dem Namen »Kinderflüsterer« bekannt und schließlich gefasst.
Die alten Geschichten interessieren Tom und Jake nicht. Als jedoch ein kleiner Junge verschwindet, machen Gerüchte die Runde, dass der Täter von damals einen Komplizen gehabt habe. Und Jake beginnt, sich merkwürdig zu benehmen. Er sagt, er höre ein Flüstern an seinem Fenster ...

Alex North, geboren und aufgewachsen in Leeds, England, studierte Philosophie und arbeitete nach seinem Abschluss an der Fakultät für Soziologie und Sozialpolitik. Insgeheim hegte er aber immer den Wunsch zu schreiben. Mit seinem atmosphärischen Spannungsroman »Der Kinderflüsterer« gelang ihm 2019 der große Durchbruch. Der Roman wurde international gefeiert und stand auch in Deutschland wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Alex North lebt bis heute in seiner Heimatstadt Leeds, inzwischen mit seiner Frau, dem gemeinsamen Sohn und zwei Katzen.

Beschreibung für Leser

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5

An dem Tag, als Rebecca starb, hatte ich Jake allein abgeholt. Eigentlich hatte ich meinen Schreibtag, und als Rebecca mich bat, Jake an ihrer Stelle abzuholen, war ich erst mal verärgert. In ein paar Monaten würde ich mein neues Manuskript einreichen müssen, ich hatte an jenem Tag noch nichts zustande gebracht und zählte darauf, in einem halbstündigen Endspurt noch ein Wunder zu vollbringen. Doch Rebecca sah blass und zittrig aus, also machte ich mich auf den Weg.

Auf der Rückfahrt gab ich mein Bestes und erkundigte mich bei Jake, wie sein Tag gelaufen war, allerdings mit wenig Erfolg. So war es jedes Mal. Entweder konnte er sich nicht erinnern - oder er wollte nicht reden. Wie immer fühlte es sich für mich an, als hätte er Rebeccas Fragen liebend gern beantwortet - was mich zusammen mit meiner anhaltenden Schreibblockade umso angespannter und unsicherer machte. Zu Hause sprang er wie der geölte Blitz aus dem Auto. Ob er zu Mummy laufen dürfe? »Klar«, sagte ich, »aber sie hat sich nicht wohlgefühlt, sei also lieb zu ihr - und vergiss nicht, die Schuhe auszuziehen, du weißt, dass Mummy es nicht mag, wenn wir Schmutz reintragen.«

Ich selbst trödelte noch ein bisschen am Auto herum, dachte darüber nach, was für ein elender Versager ich war. Langsam schlenderte ich nach drinnen, legte in aller Seelenruhe meine Sachen in der Küche ab - und bemerkte, dass mein Sohn seine Schuhe nicht an der Tür ausgezogen hatte. Natürlich nicht - weil er nie auf mich hörte. Im Haus war es mucksmäuschenstill. Ich nahm an, dass Rebecca sich oben hingelegt hatte und Jake zu ihr hochgelaufen und bei ihnen alles in bester Ordnung war. Nur bei mir nicht.

Erst als ich ins Wohnzimmer ging, entdeckte ich Jake an der Wand vor der Tür zur Treppe. Er starrte auf irgendwas am Boden hinab, was ich nicht sehen konnte. Er stand stocksteif da; was immer er dort anstarrte, schien ihn regelrecht zu hypnotisieren. Erst als ich langsam auf ihn zuging, sah ich, dass er gar nicht reglos dastand, sondern zitterte. Und dann sah ich Rebecca, die am Fuß der Treppe lag.

Danach ist alles wie ausradiert. Ich weiß, dass ich Jake von dort weggezogen habe. Ich weiß, dass ich den Notarzt gerufen habe. Ich weiß, dass ich all diese richtigen Sachen gemacht habe. Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern.

Das Schlimmste war, dass ich außerdem wusste - auch wenn er mit mir nie darüber gesprochen hat -, dass Jake sich an alles erinnerte.

Zehn Monate später standen in unserer Küche sämtliche Oberflächen mit Tellern, Bechern und Schüsseln voll, und das bisschen noch sichtbare Arbeitsfläche war von Flecken und Bröseln übersät. Überall im Wohnzimmer lag jede Menge Spielzeug herum. Es sah aus, als hätten wir längst unsere Habseligkeiten durchgesehen und beiseitegeräumt, was wir mitnehmen wollten, während der ganze Rest wie Abfall liegen geblieben war. Schon seit Monaten lag über diesem Haus ein Schatten, der mit jedem Tag dunkler wurde. Es fühlte sich an, als hätte unser Zuhause mit Rebeccas Tod angefangen zu zerfallen. Andererseits war sie auch immer das Herzstück gewesen.

»Kann ich mein Bild wiederhaben, Daddy?«

Jake hatte sich auf den Boden gehockt und sammelte die Filzstifte vom Morgen ein.

»Wie heißt das Zauberwort?«

»Bitte.«

»Klar kannst du.« Ich legte es neben ihn. »Schinkenbrot?«

»Kann ich stattdessen Süßigkeiten haben?«

»Hinterher.«

»Okay.«

Ich machte ein bisschen Platz in der Küche und bestrich zwei Scheiben Brot mit Butter, legte dann drei Scheiben Schinken dazwischen und schnitt es in Viertel. Ein Versuch, die Depression zurückzudrängen. Einen Fuß vor den anderen setzen. In Bewegung bleiben.

Widerwillig dachte ich an das zurück, was im 567 Club vorgefallen war: dass Jake dem leeren Tisch zugewinkt hatte. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte mein Sohn immer schon imaginäre Freunde gehabt. Er war