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Die Wächter

Roman von John Grisham
Seitenanzahl:464 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2020
Verlag: Heyne Verlag; Doubleday
ISBN:978-3-641-24396-8
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Kurztext / Annotation

In Seabrook, Florida wird der junge Anwalt Keith Russo erschossen. Der Mörder hinterlässt keine Spuren. Es gibt keine Zeugen, keine Verdächtigen, kein Motiv. Trotzdem wird Quincy Miller verhaftet, ein junger Afroamerikaner, der früher zu den Klienten des Anwalts zählte. Miller wird zum Tode verurteilt und sitzt 22 Jahre im Gefängnis. Dann schreibt er einen Brief an die Guardian Ministries, einen Zusammenschluss von Anwälten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, unschuldig Verurteilte zu rehabilitieren. Cullen Post übernimmt seinen Fall. Er ahnt nicht, dass er sich damit in Lebensgefahr begibt.

John Grisham ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Seine Romane sind ausnahmslos Bestseller. Zudem hat er ein Sachbuch, einen Erzählband und Jugendbücher veröffentlicht. Seine Werke werden in fünfundvierzig Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.

Beschreibung für Leser

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1

Duke Russell hat die grauenvollen Verbrechen, für die er verurteilt worden ist, nicht begangen. Trotzdem soll er in einer Stunde und vierundvierzig Minuten hingerichtet werden. Wie immer in diesen entsetzlichen Nächten scheint die Uhr schneller zu ticken, je näher die letzte Stunde kommt. Ich habe schon zwei dieser Countdowns in anderen Bundesstaaten mitgemacht. Einer wurde bis zum Schluss heruntergezählt, und mein Mandant sprach seine letzten Worte. Der andere wurde wie durch ein Wunder in letzter Minute abgebrochen.

Die Uhr soll ruhig ticken - es wird nichts geschehen, jedenfalls nicht heute Abend. Die Leute, die Alabama regieren, werden es vielleicht eines Tages schaffen, Duke die Henkersmahlzeit zu servieren und ihm dann eine Nadel in den Arm zu stecken, aber nicht heute. Er sitzt erst seit neun Jahren im Todestrakt. Der Durchschnitt in diesem Bundesstaat liegt bei fünfzehn Jahren. Zwanzig ist nicht ungewöhnlich. Beim 11. Bezirksgericht in Atlanta wird ein Antrag auf Aufschub herumgereicht, und wenn er innerhalb einer Stunde auf dem Schreibtisch des richtigen Mitarbeiters landet, wird die Hinrichtung nicht stattfinden. Duke wird zu den Schrecken der Einzelhaft zurückkehren und den nächsten Tag erleben.

Er ist seit vier Jahren mein Mandant. Unterstützung bekommt er von einer Großkanzlei in Chicago, deren Anwälte viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit für ihn leisten, sowie einer Initiative gegen die Todesstrafe, die in Birmingham ansässig und schlichtweg überfordert ist. Vor vier Jahren, als ich zu dem Schluss kam, dass Duke unschuldig ist, bin ich als Frontmann dazugestoßen. Zurzeit habe ich fünf Fälle, alles Fehlurteile, jedenfalls meiner Meinung nach.

Einen meiner Mandanten habe ich sterben sehen. Ich glaube immer noch, dass er unschuldig war. Ich konnte es nur nicht rechtzeitig beweisen. Einer ist genug.

Zum dritten Mal an diesem Tag betrete ich Alabamas Todestrakt und bleibe an dem Metalldetektor vor der ersten Tür stehen, neben dem zwei finster dreinblickende Gefängniswärter ihr Revier bewachen. Einer von ihnen hält ein Klemmbrett in der Hand und starrt mich an, als hätte er seit meinem letzten Besuch vor zwei Stunden meinen Namen vergessen.

»Post, Cullen Post«, sage ich zu dem Schwachkopf. »Für Duke Russell.«

Er überfliegt das Klemmbrett, als enthielte es Informationen von entscheidender Bedeutung, findet, was er sucht, und nickt dann in Richtung einer Plastikschale, die auf einem kurzen Laufband steht. Ich lege Aktenkoffer und Handy hinein, wie vorhin schon.

»Uhr und Gürtel?«, erkundige ich mich wie ein echter Klugscheißer.

»Nein«, stößt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich mache zwei Schritte durch den Metalldetektor - und wieder ist es einem Anwalt, der sich für die Aufklärung von Fehlurteilen einsetzt, gelungen, den Todestrakt ohne Waffen zu betreten. Ich nehme Aktenkoffer und Handy und folge dem anderen Wärter durch einen kahlen Gang zu einer Wand aus Gitterstäben. Er nickt, steckt einen Schlüssel in den Schließmechanismus, die Gitterstäbe schieben sich zur Seite, und wir marschieren durch einen zweiten Gang noch tiefer hinein in das deprimierende Gebäude. Hinter der nächsten Ecke warten einige Männer vor einer fensterlosen Stahltür. Vier von ihnen stecken in Uniformen, zwei tragen Anzüge. Einer der beiden Letzteren ist der Gefängnisdirektor.

Er kommt mit ernstem Blick auf mich zu. »Haben Sie eine Minute Zeit?«

»Eine schon, aber mehr nicht«, erwidere ich. Wir rücken ein Stück von der Gruppe ab, damit wir uns unter vier Augen unterhalten können. Der Direktor ist kein schlechter Mensch, er macht nur seinen Job, in dem er ziemlich neu ist, und daher hat er noch nie eine Hinrichtung durchgeführt. Außerdem ist er der Feind, und egal, was er will, von mir wird er es nicht bekommen.

Wir stecken die Köpfe zusammen wie zwei gute Freunde. »Wie sieht es aus?«, flüstert er.

Ich blicke mich um, als