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Die Bilder der Frauen

Roman von Natasha Lester
Auflage:1. Auflage
Seitenanzahl:512 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2020
Verlag: Aufbau Digital; Hachette Australia, Sydney
ISBN:978-3-8412-1957-2
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Kurztext / Annotation

Mit den Augen einer Frau. Paris, 1942: Die Amerikanerin Jessica May soll als Fotojournalistin für die Vogue über den Krieg berichten, doch die Soldaten akzeptieren keine Frau an ihrer Seite. Erst mit Hilfe der Journalistin Martha Gellhorn und des Offiziers Dan Hallworth gelingt es Jessica, aus ihrem ganz eigenen - nämlich weiblichen - Blickwinkel von der Front zu berichten. Inmitten der Gräuel des Krieges verliebt sie sich in Dan und nimmt sich eines kleinen Waisenmädchens an. Doch dann werden Jess und Dan getrennt, und ihre Liebe droht zu tragisch zu enden. Ein vielschichtiger Roman nach der authentischen Geschichte der bedeutenden Fotografin Lee Miller



Natasha Lester war Marketingleiterin bei L'Oréal und verantwortlich für die Marke Maybelline, bevor sie sich entschloss, an die Uni zurückzukehren und Creative Writing zu studieren. Heute lebt sie als Autorin und Dozentin in Perth, Australien, und ist Mutter dreier Kinder. Ihre Romane, in denen es stets um spezifisch weibliche Aspekte der Geschichte geht, sind internationale Bestseller.

Mehr zur Autorin unter www.natashalester.com.au

Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

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Kapitel 1

New York, September 1942 | Jessica May setzte ihr berühmtes Lächeln auf und hob den Arm - ihre Bewegungen waren eigentlich nicht weniger monoton als die der Nieterinnen, Schweißerinnen und all der anderen Frauen, die derzeit in den Fabriken die Arbeit der Männer verrichteten. Nur dass sie keinen Overall trug.

Stattdessen stand sie an diesem strahlenden Herbsttag in einem langen weißen Seidenkleid auf einer weißen Plattform. Das Kleid hätte ein Brautkleid sein können, so geschnitten, dass es vorn eng anlag und sich, gemeinsam mit dem weißen Schultercape, hinter ihr im Luftstrom der auf sie gerichteten Ventilatoren üppig bauschte. Es verlieh ihr die Ausstrahlung eines Himmelswesens. Neben ihr wehten zwei große amerikanische Flaggen, und mit ihrem ausgestreckten Arm sah Jess fast aus, als würde sie gleich etwas höchst Bedeutsames vortragen. Allerdings war auch das nur Teil der hier erschaffenen Illusion, denn seit wann hatte ein Model denn etwas Wichtiges zum Thema Patriotismus und Krieg zu sagen?

Früher hatte sie auf den Straßen von Paris leidenschaftlich gegen den Faschismus demonstriert; zuerst, als seine niederträchtige Ideologie sich in Spanien breitmachte, dann, als diese in Italien und Deutschland immer groteskere Formen annahm. Nun war Jessica May lediglich eine Galionsfigur. Oder besser gesagt - Toni Frissell, die Fotografin, würde sie in eine solche verwandeln, wenn das Foto für das Cover der Vogue sorgfältig zurechtgeschnitten und so manipuliert worden war, dass sie die Menschen Ende 1942 wachrüttelte. Niemand würde je erfahren, dass es in der Realität kein Schiff, kein Wasser, keine Meeresbrise und auch kein Himmelswesen gab, sondern nur ein paar Requisiten auf einer Wiese nördlich von New York, direkt neben einer Herde von Kühen, die mit verwunderten Glotzaugen über die Störung in ihrer normalerweise friedlichen Umgebung nachsannen.

Toni bat Jessica, zu Ehren der Flagge, der Soldaten, ihres Landes als solches und der Tatsache, dass es in einen Krieg verwickelt war, ein ernsteres Gesicht aufzusetzen. Selbstverständlich kam Jess dem sofort nach.

»Perfekt«, sagte Toni kurz darauf. »Ich habe alles, was ich brauche.«

Also verließ Jess die Plattform, winkte jedoch ab, als die Assistentin der Garderobiere ihr beim Heruntersteigen helfen wollte. Unterwegs löste sie das Cape und verschwand dann hinter einem Paravent, wo sie sich von der jungen Frau ins nächste Modell helfen ließ: einen schwarzen Wolljersey-Badeanzug von Claire McCardell mit einem tiefen V-Ausschnitt und einem Verschluss aus Messinghaken und -ösen.

Diesmal nahm Jess zwischen den Flaggen Platz und tat so, als tauche sie die Zehen in Wasser, das die Vogue-Leserinnen außerhalb des Bildrahmens vermuten würden, wandte lächelnd das Gesicht der Sonne zu und lehnte sich auf die Ellbogen zurück, was eine Kuh mit einem anerkennenden Muhen kommentierte. Jess lachte, und Tony drückte genau im richtigen Moment auf den Auslöser.

Fast zeitgleich hielt ein Auto auf dem Feldweg neben der Wiese, und Belinda Bower, Herausgeberin der Vogue und Jess' Freundin, stieg aus. In Bleistiftrock und auf hohen Absätzen suchte sie sich einen gangbaren Weg über die Wiese - schwankend, aber offensichtlich wild entschlossen, nicht allzu deplatziert zu wirken. Toni senkte die Kamera, Jess richtete sich auf. Bel störte sonst nie bei einem Fotoshooting. Irgendetwas war also passiert.

Genau das bestätigte Belinda wenige Augenblicke später, als sie bei Jess ankam und ihr die neueste Ausgabe von McCall's mit einer ganzseitigen Werbeanzeige für Kotex-Damenhygiene unter die Nase hielt. Oben auf der Seite prangte der Slogan »Davon sind Frauen hundertprozentig begeistert!«, darunter posierte Jessica May in einem Abendkleid. Entspannt, unbekümmert - und das ausgerechnet beim Tabuthema Menstruation.

»Verdammt!«, entfuhr es Jess.

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