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Ein ganzes Leben

Roman - Jetzt im Kino - mit Stefan Gorski, August Zirner, Julia Franz Richter und Marianne Sägebrecht.. Ausgezeichnet mit dem Grimmelshausen-Preis 2015 von Robert Seethaler Rezension verfassen
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"Er hatte länger durchgehalten als er es je selbst für möglich gehalten hätte und konnte im Großen und Ganzen zufrieden sein. Er hatte seine Kindheit, einen Krieg und eine Lawine überlebt. Er hatte oft sein Leben an einen Faden zwischen Himmel und Erde gehängt und in seinen letzten Jahren hatte er mehr über die Menschen erfahren, als er begreifen konnte. Er war nie in die Verlegenheit gekommen, an Gott zu glauben und der Tod machte ihm keine Angst. Er konnte sich nicht erinnern, woher er gekommen war, und letztendlich wusste er nicht, wohin er gehen würde. Doch auf die Zeit dazwischen, auf sein Leben, konnte er ohne Bedauern zurückblicken, mit einem abgerissenen Lachen und einem einzigen großen Staunen."


Andreas Egger, geboren um 1889 - so richtig genau weiß das niemand - und gestorben in einer Februarnacht etwa 79 Jahre später, verbringt ein karges Leben, geprägt von den Widrigkeiten der Natur und deren unvorhersehbaren Launen. Ein stiller Mensch, schlicht aber feinfühlig, der alles, was ihm das Leben entgegenwirft irgendwie anzunehmen vermag. Selbst als ihm das Schicksal einen unwiederbringlichen Verlust beschert, der ihn bis zum Schluss nie so richtig loslässt.
Robert Seethaler hat mit diesem Roman ein kleines Juwel geschaffen, das einen trotz, oder vielleicht eher wegen der schlichten Erzählweise mit voller Wucht trifft und noch lange nachklingt.

Schnörkel- und makellos, ein beeindruckendes Buch!

von
Bewertung:

Eine berührende, zarte und beeindruckende Alltagsgeschichte eines tief bewegten Lebens, wie es unsere Ahnen erlebt haben könnten. Das Buch liest sich flüssig, man möchte nicht genug bekommen von dieser einfachen Geschichte, die ein stimmiges Ende findet. Wunderschöne ruhige, schlichte Sprache; eine tiefe Erzählung, die die Seele berührt! Für seinen Roman "Ein ganzes Leben" wurde Robert Seethaler mit dem Johann-Jacob-Christoph von Grimmelshausen-Preis 2015 ausgezeichnet.

von Christine Mansbart
Bewertung:

Rund um das Jahr 1902 kommt der kleine Andreas Egger in ein abgelegenes Tal. Er ist ca. 4 Jahre alt, seine Mutter ist gerade verstorben und mehr oder weniger widerwillig nimmt ihn ein Schwager der Verstorbenen bei sich auf. Er wird allerdings nicht als Familienmitglied aufgenommen, sondern als billige Arbeitskraft. Sein junges Leben ist geprägt von harter Arbeit und schweren Schlägen.
Andreas ist introvertiert und betrachtet das gesamte Leben um ihn mit einem gewissen ungläubigen Staunen. Klar ist für ihn, dass er sein Leben nicht als Bauer verbringen möchte, mit dem Blick auf den Boden der Felder gerichtet. Er möchte einen freien Blick zum Himmel. Er verdingt sich als Hilfsknecht, bis ein Bautrupp die Ruhe des Tales unterbricht. Dieser Trupp bringt nicht nur die Elektrizität ins Tal, sondern beginnt auch mit dem Bau der ersten Seilbahnen. Andreas, mit seiner Trittsicherheit auf jedem Berg, ist ein gern gesehener Arbeiter. In dieser Zeit lernt er auch seine große Liebe Marie kennen. Fast scheint es so, dass der stille, einfache Andreas Egger auch seinen Anteil am Glück gefunden hat. Doch das Leben hält noch weitere Prüfungen für ihn bereit.
Er wird zum Kriegsdienst verpflichtet, ohne zu wissen wer Hitler ist oder wo Russland liegt. Wofür oder warum er kämpfen soll, weiß er nicht. Jahre verbringt er als Kriegsgefangener in Russland.
Wieder zurück in seinem Tal verdingt er sich als Bergführer für die ersten Vertreter der Gattung "Touristen". Er lebt alleine, in sich ruhend.

Mit der Figur des Andreas Egger hat Robert Seethaler einen ganz besonderen Charakter erschaffen. Man könnte ihn als simpel, ungebildet, arm und als Spinner beschreiben, oder aber auch als schlicht, bescheiden, reich und als Individualisten. Er hat zwar kaum eine nennenswerte Schulbildung, ist aber lebensklug und sich seiner selbst bewusst, stets untermalt von einer gewissen Schüchternheit. Fast sein ganzes Leben ist von großer Einsamkeit geprägt, doch weder verbittert er, noch beklagt er sein Leben. Er akzeptiert es wie es ist. Mehrmals habe ich mich gefragt, wie oft man an einem alten Menschen wie Andreas Egger vorbeigeht, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, welche Geschichte derjenige mit sich trägt.
Das Buch an sich hätte gerne noch länger sein dürfen.

von Susanne Pichler, 11. März 2016