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Smoke

Roman von Dan Vyleta
Seitenanzahl:624 Seiten
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht:2017
Verlag: carl's books; Doubleday, New York 2016
ISBN:978-3-641-20105-0
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Kurztext / Annotation

Ein englisches Eliteinternat. Ein düsteres Komplott. Zwei Freunde auf der Suche nach der Wahrheit.
England, Ende des 19. Jahrhunderts. Thomas und Charlie sind adeliger Herkunft und besuchen ein Eliteinternat in Oxford. Dort werden sie nicht nur streng erzogen, sondern sollen gleichzeitig von einem düsteren Phänomen geheilt werden, das wie eine Krankheit um sich greift: Jeder unaufrichtige Gedanke, jede Lüge wird durch dunklen Rauch sichtbar, der unkontrolliert dem Körper des Betroffenen entweicht. Als die beiden Schüler es wagen, die Gesetze des Rauchs zu hinterfragen, stoßen sie auf ein Komplott aus Willkür, Macht und Unterdrückung. Und schon bald fürchten die beiden um ihr Leben.

Dan Vyleta wurde 1974 als Sohn tschechischer Einwanderer in Gelsenkirchen geboren. Nach dem Abitur studierte er in England und Wien Geschichte und promovierte am King's College in Cambridge. Er hat bisher drei z.T. preisgekrönte Romane veröffentlicht, die in über zehn Ländern erschienen sind und von der Presse begeistert aufgenommen wurden. Nach vielen Jahren in Kanada lebt Dan Vyleta im Moment in England.

Beschreibung für Leser

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PRÜFUNG

Thomas! Thomas! Wach auf!«

Kaum ist er wach, sucht er Nachthemd und Bettzeug nach Ruß ab. Er macht es schnell, mechanisch, noch im Halbschlaf: fährt sich mit einer Hand über die Haut und tastet nach der verräterischen körnigen Substanz.

Erst danach fragt er sich, wie spät es ist und wer ihn geweckt hat.

Charlie, natürlich. Sein Gesicht verändert sich unaufhörlich im Licht der Kerze, die er in der Hand hält. Einen Moment lang erstarren die hellen und schattigen Flächen, dann verzerren sie sich wieder; Augen, Nase, Lippen wandern, ordnen sich neu. Der Schein der Flamme schießt in sein rötliches Haar hinauf.

»Charlie? Wie spät ist es?«

»Spät. Oder eher früh. Einer der Jungen hat behauptet, es wäre zwei. Weiß der Teufel, woher er das wissen will.«

Charlie beugt sich vor. Die Kerze kommt näher, treibt die Schatten an den Rand der schmalen Pritsche.

»Es ist Julius. Er hat gesagt, alle sollen sich versammeln. Im Waschraum. Jetzt gleich.«

Der gesamte Schlafsaal ist in Bewegung. Bleiche Gestalten, die sich strecken, aufrichten, die Köpfe zusammenstecken, manche hastig, andere widerwillig. Man sieht nur wenige Kerzen; der Mond beleuchtet den Schnee vor den Fenstern, die gespenstisch milchig schimmern. Schon bald ziehen die Jungen in einer Prozession durch die Doppeltür. Keiner will der Erste sein, keiner der Letzte: weder Charlie noch Thomas noch die Handvoll Jungen mit besonderen Privilegien. Besser in der Menge untertauchen.

Die Fliesen unter ihren nackten Füßen sind kalt. Der Waschraum ist groß. Links und rechts reihen sich eckige weiße Porzellanbecken aneinander, überzogen von einem Spinnennetz aus Rissen, die zu fein sind, um sie mit dem Finger nachzufahren, als hätte sie jemand mit einem spitzen Bleistift gezeichnet. Dahinter folgen die Klosettkabinen, und schließlich, in einem langen, schmalen Anbau, kauert eine Reihe blassgrün gekachelter Badewannen. Der Fußboden fällt zur Mitte hin ab. Das merkt man, wenn man Wasser verschüttet. Dann bilden sich kleine Bäche, die auf die Senke zurinnen. Am tiefsten Punkt befindet sich ein Abfluss, ein quadratisches Metallgitter, dreckverkrustet und halb verstopft von Haaren und Flusen.

Genau dort hat er den Stuhl platziert. Julius. Die Jungen aus der Unterstufe nennen ihn Cäsar. Das C sprechen sie wie ein K aus, wie der Lateinlehrer es ihnen beigebracht hat: Kä-sar. Der Name bedeutet designierter Kaiser. Der nächste Herrscher. Julius ist als Einziger angezogen: trägt eine Bügelfaltenhose und blank gewienerte Schuhe. Eine Weste, aber kein Jackett, um die Aufmerksamkeit auf sein Hemd zu lenken, dessen Ärmel so blütenweiß sind, dass es blendet. Wenn er die Arme bewegt, erzeugt das gestärkte Leinen ein Geräusch, irgendetwas zwischen einem Rascheln und einer Art Klatschen, je nachdem, wie schnell die Bewegung ist. Du kannst sogar hören, wie rein es ist. Und er selbst folglich auch. Nichts Böses hat ihn berührt. Julius ist an dieser Schule so etwas wie ein Heiliger.

Er legt beide Hände auf die Stuhllehne und beobachtet, wie eine Welle der Angst die Jungen durchläuft. Auch Thomas spürt sie. Das ist keine Frage des Muts, denkt er, sondern ein körperlicher Zwang. Als würde dir an einem stürmischen Tag der Wind ins Gesicht peitschen. Du kannst dich ihm nicht entziehen.

»Wir wollen losen«, sagt Julius beiläufig, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten. Einer seiner Handlanger, ein bulliger Achtzehnjähriger, tritt vor, ein paar Bleistiftstummel, einen Stapel leerer Zettel und einen großen Jutesack in der Hand. So einen, mit dem man Kartoffeln transportiert oder Vogelscheuchenköpfe bastelt. Den man jemandem über den Kopf stülpt, bevor man ihn zum Galgen führt. Jetzt geht die Fantasie mit dir durch, sagt sich Thomas, nimmt einen Zettel samt Stift entgegen und schreibt seinen Namen darauf: Thomas Argyle. Den Titel lässt er weg. Die